Bis September 2015 war ich regelmäßiger Pendler, mit wöchentlicher, konstanter Route, über 15 Jahre lang. Ich bin in der Zeit gute 825.000 km gefahren und habe über 3.500 Menschen sich von A nach B oder zum Zwischenhalt mitgenommen. Nach anfänglichem Inserieren bei der mitfahrzentrale.de habe ich die mitfahrgelegenheit.de (mfg) als Nutzer mit groß und publik gemacht, nicht zuletzt durch damalige Interviews durch die Presse.
Man kann also sicher sagen, dass ich zu den alten Hasen gehöre, die praxiserfahren wissen was sinnvoll ist und was nicht. Auch beim Mitfahren war stets die beste Devise: Je einfacher, desto besser. Aus dieser Brille heraus erlangte die mfg anfänglich einen enormen Zuwachs, weil sie eine einfache, übersichtliche Plattform anbot.
Letztlich lässt sich das Reisen wie mit einem Urlaub vergleichen: Es gibt den individualen Urlaub, den Pauschalen oder den All-inclusive. Ersterer ist vielleicht der günstigste, man muss dafür aber selber einiges Regeln. Und genauso war es beim Mitfahren. Wer wirklich sparen wollte, nahm das Schicksal selbst in die Hand:
Ich fahre eine Strecke, kann bis 3 Personen noch mitnehmen und hätte gerne pro Kopf für den gesamten Weg die Summe X. Und der Mitfahrende konnte selber entscheiden, ob er diese Summe zahlen oder doch lieber ein anderes Angebot nutzen wollte, wo die Fahrt vielleicht eine Stunde länger dauert, dafür aber 2,- € billiger war. Er konnte es sich aussuchen ob er günstig in einem Opel Corsa gekuschelt oder in einem benzinfressenden Benz a la 280 SE aus dem Jahre 1981 reisen wollte, dafür aber Platz ohne Ende hatte.
Auf solche Aspekte nimmt Blablacar keine Rücksicht. Gebühren werden für Strecken vorgefertigt in grün, gelb und rot dargestellt, ohne dabei auf das Fahrzeug einzugehen.
Dinge, die die Welt nicht braucht!
Zahlreiche Features gaukeln den potentiellen Nutzern vor wie toll und innovativ die Seite doch sei. Aus dem Fokus der Praxistauglichkeit und des realen Nutzwertes sind das aber Dinge, die nicht nur Kosten verursachen, sondern im Prinzip so überflüssig und sinnvoll sind, wie das Blumengießen bei Regen.
Was soll denn so ein Quatsch wie das Ortungssystem? Als ob der Fahrer nicht schon genug zu tun hätte sich durch den Verkehr von Metropolen zu quälen? Ein vorher definierter Treffpunkt, ggf. unter Hilfe von Google-Maps, und fertig ist die Kiste. Zumal, jedenfalls bei mir, hatten 5% kein Mobiltelefon, weitere 20% kein Smartphone und nochmals 20% keinen integrierten Internettarif. Ergo: Fast die Hälfte kann solche Dienste gar nicht nutzen. Das ist jetzt nur eines von vielen Beispielen.
Konkreter wird es beim Reisen und Bezahlen. Fahrer, die wie ich bereits bei der Absprache auf bestimmte Aspekte geachtet haben, hatten alle eine Ausfallquote von weniger als 0,1 %. Damit lässt es sich eigentlich gut leben. Passieren kann immer was, auch dem Fahrer. So steht nur der Mitfahrer, der mitfahren möchte und darf für 20,- € bezahlen soll, am Treffpunkt und der Fahrer kommt nicht, egal ob kurzfristig entschuldigt (Autopanne) oder nicht.
Entweder gelingt es dem Mitfahrer noch eine andere Mitfahrt zu finden oder er nimmt die Bahn oder den Bus. Aber die 20,- € stehen ihm sofort zur Verfügung. Anders, wenn die erst einmal gezahlt wurden. Diese müssen dann erst wieder storniert werden, was ggf. auch mit Gebühren passieren kann. Ich hatte diesen Sachverhalt bei Ebay und PayPal, die für jeden Transfair eine Gebühr einbehalten haben. Und nicht jeder hat eine Kreditkarte.
Auch der Fahrer freut sich über Cash, besonders wenn er wirtschaftlich schwach auf der Brust ist. Ankommen, Beitrag einsammeln, tanken und glücklich sein. Keine Wartezeit, alles sofort und unkompliziert geregelt. Und manchmal ändern sich auch die Pläne der Gäste und die Frage kommt z.B.: „Wenn ich Dir 5,- € mehr gebe, fährst Du mich vielleicht zum Bahnhof, ins Zentrum…“
Nein, bei Blablacar und auch den gescheiterten Vorgängern geht es darum mit Schnickschnack abzukassieren und am Boom teilhaben zu wollen. Sicherlich könnte man jetzt einwenden, dass eine solche Plattform ja auch Betriebskosten hätte, was ja auch stimmt. Natürlich muss und braucht nicht alles umsonst zu sein, aber diese Kosten hängen nicht kausal mit den gefahrenen Kilometern zusammen, sondern mit der Üppigkeit der einzelnen Inserate und dem daraus resultierenden Traffic.
Es wäre daher klüger über einen adäquaten Nutzungsbeitrag nachzudenken. Viele (Viel-)Nutzer wären durchaus bereit für eine gutgepflegte Plattform zwischen 5,- € und 15,- € pro Jahr auszugeben. Und wer dann bei 1 Mio. Nutzern sagt er hätte die Kosten nicht im Griff, macht dann definitiv etwas falsch.
Ich denke, dass leider die Verantwortlichen bei Blablacar genauso beratungsresistent sein werden, wie zuvor bei der mfg. Also wird es wieder eine Abwanderungswelle geben und eine der gut zwei Dutzend alternativen Plattformen zum Aufschwung verhelfen.